Die Schaffung von Barrierefreiheit in rheinland-pfälzischen Museen ist ein Prozess, der im Land vom Museumsverband Rheinland-Pfalz ganz bewusst gefördert wird.
Bereits 2014 schloss der Museumsverband Rheinland-Pfalz als erster deutscher Museumsverband eine Zielvereinbarung mit Betroffenenverbänden zur Schaffung von Barrierefreiheit in Museen und hat diese Vereinbarung nun auf weitere 5 Jahre fortgeschrieben. („Zielvereinbarung zur Herstellung von Barrierefreiheit nach § 5 BGG zwischen dem Museumsverband Rheinland-Pfalz und den Organisationen und Selbsthilfegruppen behinderter und chronisch kranker Menschen in Rheinland-Pfalz“). Zu den Unterzeichnern gehörten: für das Land Rheinland-Pfalz Prof. K. Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur; Matthias Rösch, Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen; Bettina Scheeder, Geschäftsführerin des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz; Dr. Elisabeth Dühr, Vorstandsvorsitzende des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz und zahlreiche VertreterInnen der Betroffenenverbände. Ziel der Veranstaltung im Museum für antike Schifffahrt war es, anhand von vorgestellten Best Practices ins Gespräch zu kommen, Gelungenes und Verbesserungswürdiges zu benennen und von den Erfahrungen der anderen zu profitieren. Dies sollte der Veranstaltung auch gerade deshalb gelingen, weil sie nicht nur von Museumsmenschen, sondern vor allem von VertreterInnen der Betroffenenverbänden sehr gut besucht war.
In den Grußworten wurde deutlich, dass man sich in einem Prozess befindet, der jedoch noch nicht am Ziel angekommen ist. Die Verantwortlichen in den Museen lernen immer noch dazu, gerade auch durch Feedback und Fachberatung durch die Betroffenenverbände. Zahlreiche Museen bemühen sich daher, ihre Programme und Projekte gemeinsam mit diesen Experten zu entwickeln. Dadurch entstehen sehr viele Projekte, die im Sinne des Design for all nicht nur Betroffenen Zugang ermöglichen, sondern für alle BesucherInnen nützlich oder bequem sind.
Bettina Scheeder, die Geschäftsführerin des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz, stellte zunächst das neue Museumsportal vor. Dieses wurde konsequent barrierefrei geplant und umgesetzt, was an dem hervorragenden bitv-Testergebnis ablesbar ist. Die Website des Verbandes soll zeitnah folgen und beide können dann als Best Practice für z.B. Museumswebsites dienen.
Den Anfang machte das Museum für antike Schifffahrt selbst, Ingrid Schmidts-Jütting stellte das „Mixed Reality Open Lab“ vor. Hier wird seit einiger Zeit am Beispiel eines römischen Schiffswracks getestet, wie man mit Hilfe analoger und digitaler Mittel Inhalte für alle vermitteln kann. Eine Virtual Reality-Station erlaubt einen Tauchgang zum Wrack im Mittelmeer. Stationen mit Dokutafeln bieten vertiefende Informationen, zukünftig wird auch eine Augmented Reality-Station verfügbar sein. Alle analogen Stationen sind mit Hands-On-Objekten ausgestattet, Texte in Braille- und Pyramidenschrift stehen zur Verfügung. Ein Bodenleitsystem ermöglicht die Orientierung. Wir von tuomi konnten unseren NFC-Mediaguide vorstellen, den wir zu dem MR Open Lab beigesteuert haben. Mit Tablets oder Smartphones kann man entweder Multimediainhalte oder Audiodeskriptionen abrufen. Hierzu genügt eine kurze Berührung des taktil gestalteten NFC-Chips mit dem Gerät. Auch mit dem eigenen Smartphone ist der Abruf der Informationen möglich, sogar ohne Download einer App. Aktuell liegt der Schwerpunkt auf Sehbehinderten und Blinden, der Guide kann aber jederzeit um Videos in Gebärdensprache oder Inhalte in Leichter Sprache ergänzt werden. Beim gemeinsamen Rundgang stießen das MR Open Lab und speziell auch der Mediaguide auf großes Interesse. Besonders dankbar waren wir für das vielfältige Feedback, was weitere Verbesserungen ermöglichen wird.
Anschließend stellten Julia Nebenführ und Theresia Kiefer vom Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen ein inklusives Ausstellungsprojekt vor, das im Sommer verwirklicht wurde. In der Ausstellung „Gewächse der Seele“ wurden Werke behinderter und nicht-behinderter KünstlerInnen gemeinsam zum Thema der Pflanzen und ihrer Bedeutung als Zeichen oder als Ausdruck eigener Gefühle und Gedanken. Werke der Outsider Art sowie des Surrealismus und Symbolismus beschäftigten sich so mit Traumwelten, Träumen und geheimen Wünschen. Auch das Rahmenprogramm wurde barrierefrei und inklusiv gestaltet. Es wurden offene Führungen mit Gebärdesprachedolmetscher und Führungen mit Tastobjekten angeboten, wobei an diesen Führungen jeder teilnehmen konnte. Hierzu wurde jedoch rückgemeldet, dass einigen Betroffenen eine Führung im „geschützten Raum“ einer geschlossenen Gruppe angenehmer wäre. Teil des Rahmenprogramms war auch die Planung und Umsetzung eines inklusiven Kunstprojekts im Außenbereich des Museums.
Dr. Elisabeth Dühr vom Stadtmuseum Simeonstift Trier stellte unter dem Titel „Hand in Hand zum inklusiven Museum – Ausstellungsgestaltung und Vermittlungsarbeit“ die vielfältigen Anstrengungen vor, die das Museum unternimmt, Dauer- und Wechselausstellungen inklusiv zu gestalten. Hierbei werden zahlreiche Ansätze verfolgt, immer in Zusammenarbeit mit Betroffenen, die als Berater, Ideengeber und Testgruppen fungieren. Das 2007 komplett umgestaltete Museum ist barrierefrei für Rollstuhlfahrer (natürlich auch für Menschen mit Rollator oder Kinderwagen) und bietet mobile Sitzgelegenheiten.
Auch wenn die Website bislang nicht barrierefrei ist, bietet sie dennoch in gebündelter Form einen Überblick über alle barrierefreien Angebote, auch in Leichter Sprache. Das Museum bietet öffentliche oder Sonderführungen in Gebärdensprache oder für Sehbehinderte und Blinde an. Spezielle Angebote für Demenzkranke ermöglichen den Museumsbesuch, werden aber auch von der speziell geschulten Museumspädagogin Dr. Dorothée Henschel in z.B. Pflegeeinrichtungen durchgeführt.
Audioguides in mehreren Sprachen, unter anderem in Leichter Sprache, stehen zur Verfügung. Zu den Verkaufsschlagern im Museumsshop gehören die Ausstellungsführer in Leichter Sprache, besonders auch das „Kommunistische Manifest“, das zum Karl Marx Jahr 2018 vom Museum herausgegeben wurde.
Ein besonderes Highlight ist das sog. Blinden-Kit, das vom Museum in Kooperation mit der Hochschule Trier umgesetzt wurde. Pro Ausstellungsraum wurde ein frei verfügbarer Rollwagen aufgestellt, der taktile Raummodele zur Orientierung, Tastobjekte zu den Highlights im Raum, Texte in Pyramiden- und Brailleschrift sowie einen NFC-Audioguide (von tuomi) mit Audiodeskriptionen enthält. Somit ist jederzeit ein selbstständiger Besuch der Dauerausstellung möglich. Außerdem wird durch die Tastobjekte ein bisschen auch das „do not touch“-Museum für alle entschärft. Dazu trägt auch das Tastmodell der Porta Nigra bei, ein aus mehreren Teilen bestehendes Modell, das so allen die historisch und kunsthistorisch komplizierte Entwicklung vom römischen Stadttor zum Wahrzeichen des heutigen Triers deutlich macht.
Um einen Blick über die Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz zu ermöglichen, stellte zum Abschluss Svenja Gaube von der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin die Video-Reihe in Leichter Sprache „So einfach geht das! Ein Besuch im Deutschen Technikmuseum“ vor. Diese Idee, Videos zu drehen, um sich im Museum besser zurecht zu finden bzw. den Weg ins Museum überhaupt erst zu finden, wurde von ExpertInnen mit Lernschwierigkeiten im Herbst 2017 entwickelt, die das Deutsche Technikmuseum zum Thema Inklusion berieten. Das Museum hat diese Idee in Zusammenarbeit mit dem ExpertInnenteam um den Ideengeber Holger Behrendt in hervorragender Weise umgesetzt und will das Projekt auch weiterführen. Ein Orientierungsfilm auf der Website des Museums und eine in Leichter Sprache erklärte, speziell erarbeitete Anreiseskizze ermöglichen nun allen BesucherInnen einen einfachen Zugang zum Museum.
Zum Besuch: https://sdtb.de/leichte_sprache_besuch
Zum Weg: https://sdtb.de/leichte_sprache_weg
Auf dem YouTube Kanal des Museums sind die Filme hier zu finden: https://www.youtube.com/playlist?list=PL9bCjeLWqRSI6_XMYCD6roXOO-o2q5vKi
Fazit von allen: Die Entwicklung barrierefreier und inklusiver Museen ist ein Prozess, der nur gelingen kann in Zusammenarbeit mit Betroffenen, die ihre Expertise einbringen. Daher ist es sehr begrüßenswert, dass die Zielvereinbarung in Rheinland-Pfalz verlängert wird. Die MuseumsvertreterInnen haben sehr viele gute Ideen und Projekte vorgestellt. Sicherlich sind viele Projekte gerade für kleinere Museen sehr aufwändig und somit kaum umsetzbar. Aber sicher wurde der Blick aller TeilnehmerInnen noch einmal auf einige Punkte im eigenen Haus gelenkt, wo man doch noch einmal, vielleicht mit bescheideneren aber doch wirkungsvollen Mitteln, optimieren kann. Ob das nun die Erreichbarkeit der Museen und die oft sehr abstrakten Anfahrtsskizzen sind oder das Einbeziehen von ExpertInnen, bevor Projekte umgesetzt werden. Es gibt viele Wege, die zum Ziel führen. Manches erweist sich auch als zu vielschichtig für eine einfache Lösung, denn es gibt nicht wirklich „homogene Zielgruppen“. (Lessons learned: das ist ein eher unbrauchbarer Begriff, denn er suggeriert, dass die Ansprüche einer klar abgrenzbaren Gruppe ähnlich oder gleich sind. Und in der Realität gibt es diese „klar abgrenzbaren, homogenen Gruppen“ wohl nie!) Lernen kann man tatsächlich besonders gut aus Praxisberichten über Erfolge und besonders auch über Scheitern. Daher sind solche Veranstaltungen, die direktes Feedback zu Projekten bringen und die Möglichkeit zu konstruktiven Gesprächen bieten, ein echter Gewinn und wir möchten uns beim Museumsverband Rheinland-Pfalz sehr für die Ausrichtung der Tagung bedanken.